Zwar nicht in musikhistorischen Fachsammlungen, aber in manchen anderen Museen, welche zugleich Tonwerk-zeuge beherbergen, gehören Irrtümer und sachliche Fehlgriffe nicht gerade zu den Seltenheiten; so sah man das samt der zugehörigen Mundkapsel verlorengegangene Doppelzungenblatt (das sog. Rohr) eines seltenen alten Groß- oder Kontrabaßpommers – ein solcher Verlust ist ebenso häufig als leicht zu erklärlich – durch ein fremd-artiges Mundstück ergänzt hatte. Andererseits ist ein Serpent, also ein wirkliches Blaswerkzeug mit einem Kes-selmundstück, bisweilen irrig als eine Art Fagott bezeichnet worden. Das Fagott aber wird regelrecht mit einem freien Doppelrohrblatt, sonst allenfalls mit einem kleinen klarinettenartigen Mundstück geblasen. Der erwähnte Irrtum rührt daher, daß die späteren Entwicklungsformen des Serpents der Schallröhre des Fagotts in deren gan-zen Gestaltung und Zusammensetzung äußerlich getreu nachgebildet sind.
Der Serpent gehört – wir dürfen jetzt sagen glücklicherweise – zu den ausgestorbenen Instrumenten und bietet insofern nur mehr ein geschichtliches Interesse. Zuerst in der kirchlichen, dann auch in der Profan- bzw. Militär-musik nahm derselben aber einen hervorragenden und wichtigen Platz ein, weshalb es nicht wundernimmt, daß gerade dieses Blaswerkzeug in großen Instrumentenmuseen sowie, was vereinzelte Exemplare betrifft in vielen anderweitigen Sammlungen so reichlich vertreten ist.
Serpent ist eine französische Wortform (lat. serpent-em, Nomin. serpens) und ist demnach auf französische Art auszusprechen; die Grundbedeutung ist „Schlange“. Der Serpent gehört zu der Familie der Zinken, mit denen er in den wesentlichsten Punkten seines Baues übereinstimmt; ja, man könnte ihn Baßzinken oder Zinkenbaß nen-nen. Er reicht in der Regel bis zum großen C als Grundton hinab und gab bei völligem Verschluß der Seiten-löcher die weiteren, in der Praxis jedoch kam verwertbaren Naturtöne: c, g, c, e, g, c ab (drei Oktaven). Die No-tierung des tiefsten Tones war D, aber diese D des alten Kirchentones war fast genau um einen Ganzton tiefer als unsere heutige Normalstimmung. Ein geübter Bläser vermochte durch besondere Ausbildung des Lippenan-satzes noch weitere Halbtöne in der Tiefe zu gewinnen. Die tiefer als die Tenorzinken stimmenden Zinken wer-den meistens, jedoch nicht ganz zutreffend als Baßzinken (cornetto basso) bezeichnet, da sie durchgehend um eine Oktave höher stehen als die Serpents. Es gibt in der Tat eine Art Übergangsstufe, nämlich die sehr seltenen gekrümmten Zinken, deren Grundton g (statt c) ist. Diesen ist in ihrer Sichelform bereits eine so beträchtliche Längenentwicklung eigen, saß man Mühe genug hat, alle Tonlöcher samt der doppelgriffigen tiefen Klappe mit den Fingern zu decken.
Auf eine Beschreibung der Zinken in ihren verschiedenen Abstufungen wollen wir indessen hier nicht näher ein-gehen, sondern nur kurz bemerken, daß aus Tierhörnern gebildete Tonwerkzeuge dieser Art bereits gegen 1511 auftauchten, und daß beispielsweise in Frankreich die Zinken im Jahre 1551 nachweislich zur Verwendung ka-men. Eine moderne Nachbildung bzw. Vervollkommnung der Konstruktion kommt heutzutage höchstens bei musikalischen Darbietungen historischer Art in Frage, wie denn u. a. für die im Jahre 1909 in Eger stattgefunden und 1910 wiederholten Wallenstein-Aufführungen die Lieferung mehrerer Zinken bei der Firma Oskar Adler & Co. in Markneukirchen in Auftrag gegeben wurde. – Für die in Richard Wagners Lohengrin-Partitur vorgesehen-en Zinken in C (in Stimmung der C-Trompete) kommen nur die Naturtöne in Betracht.
Das Eigentümliche der ganzen Zinkenfamilie bestand darin, daß die ausgesprochenen schlangenförmige Schall-röhre nicht in ein besondere Schallstürze auslief, und daß nicht etwa Naturtöne benutzt wurden, sonder daß die Luftsäulenwandung, wie bei den eigentlichen Holzblasinstrumenten, von unten nach oben von Seitenlöchern durchbohrt war, durch deren allmähliche Öffnung von dem unteren Ende ab die klingende Luftsäule verkürzt und die diatonische Skale zustandegebracht wurde; dazu waren noch künstliche Gabelgriffe nötig, die zum Teil auch die fehlenden Halbtöne hervorbrachten. Die Zinken hatten sechs Fingerlöcher auf der Außen- oder Vorder-seite und eines auf der Innenseite für den Daumen der linken Hand, dessen halbe Deckung zugleich für die Okta-vierung der Grundtöne diente; die Serpents in ihrer typischen Form besaßen nur die sechs Fingerlöcher ohne das Daumenloch. Es ist nun aber von selbst erklärlich, daß eine derartige Durchbrechungen der Wandung durch ver-hältnismäßig allzu kleine Seitenlöcher, zumal bei einem Lippen- oder Kesselmundstück- Instrument, die voll-kommene Bildung der für die einzelnen Tonstufen gültigen Vibrationsbäuche und –knoten unmöglich gestattet, und diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß die Instrumente rauh und scharf und oft genug unrein erklangen, und daß nur wirkliche Virtuosen die durch die Luftstauung verursachte Erschwerung der Intonation und die an-haftenden Unreinheiten einigermaßen durch viel Übung zu überwinden vermochten. Die Unsicherheit der Ton-gebung zeigt sich schon darin, daß je nach Art des Ansatzes die Töne ganz auffallend nach oben oder unten schwanken, auch wenn das Mundstück von tauglicher Beschaffenheit ist. Daher war eine befriedigende Hand-habung dieser so weit verbreiteten Instrumente ungemein schwierig und anstrengend; um sich davon zu über-zeugen, braucht ein tüchtiger Trompeter bloß den Versuch zu machen, einen Tenor- oder gar einen Sopranzinken anzublasen; ähnlich würde es einem Tuba- oder Posaunenbläser ergehen, wenn er einen Serpent an den Mund setzen wollte. – Daß als Material Holz (für die kleineren Arten zuweilen auch Elfenbein, Knochen oder Horn) diente, was übrigends für die Klangfärbung fast gleichgültig ist, erklärt sich meines Bedünkens einfach aus dem Umstand, daß die Ausbohrung der Löcher ausschlaggebend war, und daß bei dem damaligen Standpunkt der Technik an eine Ausfräsung von Löchern in einem Metallkörper noch nicht gedacht werden konnte.
Auch die Serpents in ihrer ursprünglichen Gestalt klangen zwar kräftig, aber zugleich hohl, rauh, ja „heulend“ (wie die Zeitgenossen sagten), was sich aber solange minder fühlbar machte, als sie nur zur Begleitung der Män-nerstimmen in den Kirchenchören verwendet wurden. In mehreren der Pariser Kirchen, insbesondere an der Madeleine und in Saint-Louis-d’Autin, gab es noch namhafte Bläser des alten Serpents vor seiner Umgestaltung und kurz vor Einführung der Ophikleide; ebenso in mehreren Kirchen Englands zu Beginn des 19.Jh. Nach einer Notiz von Fr.W.Galpin in seinem neuen verdienstvollen Werke „Old English Instrument of Music“ hätte König Georg III. die Einführung der Serpents auch in die Militärmusik veranlaßt. – Händel machte Gebrauch von den-selben in seinen Partituren zu „Water Music“ (1715) und „Firework Music“ (1749). – In Mich. Praetorius’ Syntagmatis musici Tomus secundus 1618 ist der Serpent noch nicht erwähnt; eine genaue Beschreibung desselben findet sich indessen in Mersenne’s Harm. Instru. Libri IV (1636).
Die Erfindung des Serpents (gegen 1590) wird zwar gewöhnlich nach einer Notiz des Abbé Lebeuf einem Kano-nikus an der Kathedrale von Auxerre namens Edme. Guillaume zugeschrieben; vermutlich hat dieser Jesoch nur das Instrument zuerst in Frankreich eingeführt, dennes gibt (u. a. in der Sammlung des Pariser Konservatoriums) unzweifelhaft echte Serpents italienischen Ursprungs von absonderlicher Form aus einer noch entlegeneren Zeit (etwa um 1550). Eines der merkwürdigsten Exemplare entstammt der Sammlung des Grafen Correr in Venedig. Die ersten Serpents waren noch alle ohne Klappen oder nur mit einer Verschlußklappe (nach Art der Blockflö-ten, Schalmeien und Pommern) für das im verlängerten Konus eingebohrte Loch versehen, um einen noch tie-feren ganzen Ton zu gewinnen. Die Klangröhre schließt am Ausgang glatt ab ohne Stürze; am oberen Ende aber sehen wir ein stark verjüngtes gekrümmtes messingenes Mundrohr, ein sogenanntes S, welchem das posaunen-ähnliche Mundstück aufgesetzt wurde. Eine Einzapfung findet gewöhnlich statt oberhalb der oberen und zwi-schen dieser und der unteren Löcherabteilung. Vor allem ist festzuhalten, daß die abenteuerliche Gestalt des In-struments, welche wirklich an Schlangenwindungen erinnert, keineswegs einem phantastischen Geflüster der Verfertiger entsprungen ist, sondern in ganz nüchterner und einfacher Art deshalb gewählt wurde, um bei einem so großen Blasinstrument die Tonöffnung mit dem Fingerballen möglichst bequem decken zu können. Ein ir-endwie gekrümmter Korpus konnte, was schon für die viel kleineren gekrümmten Zinken gilt, natürlicherweise nicht ausgebohrt werden; man mußte also die später einzuzapfenden einzelnen Teile des Holzserpents in zwei gleichen Hälften zu einer Rinne ausstechen, die Hälften sorgsam zusammenleimen und zum weiteren Schutz unter Aussparung der Löcher (wie es auch bei den krummen englischen Hörnern geschah) mit braunem oder schwarzen Leder überziehen. Außer der typischen Schlangenform kommen auch noch anderweitige Ausgestal-tung vor; so bewahrt u.a. das „Musikhistorik Museum“ in Kopenhagen (Nr.222) einen mit Leder überzoge-nen Holzserpent in ausgesprochener Tubaform mit messingnem Schallstück („Af trae med Skindovertraek, Lydstyk-ket af Messing, 6 Fingerhuller“). Dieses merkwürdige Stück ist eine in Bayern gefertigte Arbeit aus dem 18.Jh.
Die Ansprache bot mannigfache und erhebliche Schwierigkeiten, und der Fingersatz war vielfach schwankend und unsicher und mußte durch die Kunst des Ansatzes nach Möglichkeit ausgeglichen werden. Damit wurde es besser, als man noch eine Reihe Klappen behufs reinerer Erzeugung einzelner Ganz- und Halbtöne anbrachte. So konnte das Serpent schon eher als sogenannter Harmoniebaß und zugleich in der Heeresmusik zur Benützung gelangen. Im 18.Jh. wurden auch Holzserpents in zwei senkrecht nebeneinanderstehenden Parallelwindungen mit Schallstück und mittels Deckklappen zu schließenden Löchern gebaut, die noch um eine Quart oder Quinte tiefer standen als die gemeinüblichen Serpents. Lehrmethoden mit Fingersatztabellen für das Instrument gab es zahlreiche, wie z.B. Imbert, Nouvelle Méthode de serpent, Paris, 1780. Im Jahre 1806 schuf Piffault einen ver-besserten Typus, den er „serpent militaire“ nannte; er stand auch mit der zugehörigen Methode noch 1812 am Pariser Konservatorium in Gebrauch. Am verbreitetsten war wohl in Deutschland in der ersten Hälfte des 19.Jh. die „Serpentschule“ von Joseph Fröhlich, dem Universitätsprofessor und Gründer der Würzburger Musikschule, dessen „Schule für sämtliche Orchesterinstrumente“ noch in dem Verlagskatalog von Nik.Simrock in Bonn, 1851, verzeichnet sind.
Es läßt sich nicht immer mit Sicherheit entscheiden, ob die in der Heeresmusik gebräuchlichen Serpents solche in der ursprünglichen Form oder bereits Umgestaltungen, von welchen sogleich die Rede sein wird, gewesen sind. In „W.Wieprechts Leben und Wirken“ von A.Kalkbrenner finden wir den Serpent wiederholt erwähnt; zunächst Seite 34 als neue Einverleibung in die Infantriemusik neben dem Kontrafagott (nach 1806); dann in mehrfacher Zahl, auffallenderweise neben dem Englischbaßhorn, S.35 (um 1830); S. 82 ist für das Jahr 1807, was noch verwunderlicher erscheint, zugleich von engl. Baßhörnern und Ophikleiden die Rede. – Zu Beginn der Kaiserzeit hatte man in Frankreich sogar den verunglückten Versuch gemacht, Serpents in einer besonderen, stark gewundenen Form für die Musik der berittenen Truppe zu verwenden. – Verschiedene Originalexemplare von Serpents in abweichender Bauart (aus der Sammlung Snoeck, Nr. 1069 bis 1081) befinden sich in dem Museum zu Charlottenburg.
Es war wohl vor allem die unbequeme Haltung des alten Schlangenrohres, vielleicht auch der Mangel an reiner Stimmung, welche zu einer Umwälzung drängte; diese rein äußerliche Umformung nach Vorbild des Fagotts verdankt man dem Musiker Règibo an der Kirche St. Pierre in Lille gegen 1780. Es ist ein Holzinstrument mit dem gewundenen Mundrohr des alten Serpents, aber mit einem besonderen Schalltrichter in Messing. Die als neu angegebene Erfindung von Frichot und Astor in London, um 1800, war im Grunde nichts anderes als Règibos Serpent, nur daß es vollständig in Metall ausgeführt wurde und den Namen „Baßhorn“ erhielt; vgl. Astor’s dreiklappigen „Serpent en cuivre“, Nr. 1190 des Paris Museums. All die unzähligen Modifikationen und Übergangsformen des damals so überaus beliebten, ja unentbehrlichen Instruments, bald ohne, bald mit Klappen, zum Teil mit phantastischen Schallstürzen in Gestalt eines Drachen- oder Schlangenkopfes usw. kann man in den großen Instrumentensammlungen, wie beispielsweise in der Königlichen Sammlung der Hochschule in Charlottenburg näher kennenlernen. Hier findet sich sogar (Nr. 1081 der alten Sammlung Snoeck) ein allerdings unvollständiger Kontrabaßserpent, welcher sich mit dem ebenfalls unhandlichen Kontrabaß des Pariser Muse-ums (Nr.648), einem wahren Ungetüm, vergleichen läßt. Dieses letztere seltsame Schaustück – denn mehr ist es nicht- ist in der Nähe des riesenhaften Streichkontrabasses (des sog. „Ocotobasse“) von J.B. Vuillame (1849) aufgepflanzt. Die nach Règibos Modell gebauten Serpents empfingen die Benennung „serpent anglais“ oder „basson russe“, und in Analogie der letzteren üblicheren Bezeichnung (basson ist ja gleich Fagott) bürgerte sich auch in Deutschland der Name „russisches Fagott“ ein, wodurch zuweilen Mißverständnisse und Verwechs-lungen entstanden sind.
Frichots Baßhorn aber, wie auch eine Varietät von Forveilly, für welche Hermence eine Methode verfaßte, verfiel der Vergessenheit, als G.Streitwolf in Göttingen gegen 1820 mit seinem „chromatischen Baßhorn“ hervortrat, welches als eine unabhängige Erfindung des großen Meisters gelten darf, wiewohl es im Konstruk-tionsprinzip zufällig eine gewisse Ähnlichkeit mit der der Zeit nach schon früher entstandenen Ophikleide aufweist. Originalbaßhörner mit der Inschrift: „Erfunden und verfertigt von G. Streitwolf in Göttingen“ sind u.a. auch in Charlottenburg zu finden. Das eigentliche Korpus des chromatischen Baßhorns besteht in zwei durch Bügel verbundene Paralellröhre aus Holz. Die zwei untersten der zwölf Tonlöcher sind offen und werden also gedeckt; die acht folgenden sind geschlossen und werden demnach geöffnet; nur die zwei obersten Öffnungen sind unmittelbar mit den Finger zu decken. Streitwolf verstand also schon den Deckklappenhebelmechanismus in ausgedehnter Weise anzuwenden. Der tiefste Ton ist Kontra-B, und auch die entsprechenden Naturtöne erge-ben sich mit Leichtigkeit. Durch allmähliches Öffnen der Finger- und Klappenlöcher entsteht eine chromatische Skala von befriedigender Reinheit und Gleichmäßigkeit. Wenn man das oberste Tonloch offen läßt und die übrigen wieder der Reihe nach von unten ab öffnet, so erhält man bei verstärktem Lippendruck die entsprech-enden chromatischen Töne der oberen Oktave in reiner Stimmung. Auch in der Klangwirkung überbietet diese Erfindung die früheren Baßhörner in Metall. In dem Originalverzeichnis seiner Instrumente (im Besitz des Herrn Hofinstrumentenmachers C. Kruspe in Erfurt) äußert sich Streitwolf dazu folgendermaßen: „Das chromatische Baßhorn ist im Jahre 1820 von mir erfunden, eigentlich wie das englische Baßhorn ein veredelter Serpent, aber noch weit vollkommener, bläst sich leichter und läßt sich wegen seiner sehr einfachen Applikatur auch leichter erlernen. Es hat zehn Klappen und nur zwei Fingerlöcher, wodurch ein jeder Ton durch die ganze chromatische Tonleiter Kraft und Fülle bekommen hat. Der tiefste Ton ist Kontra-B.“
Als letzter Ausläufer der Zinken- und Serpentfamilie, als eine vervollkommnete Variante desselben akustischen Bauprinzips, welche bis zu unserer Zeit hineinreicht, ist die Ophikleide anzusehen. Diese barbarische Wort-bildung aus zwei Bestandteilen der griechischen Sprache, welche „Schlange“ und „Schlüssel“, d.h. Klappen bedeuten, ist der Sache nach um so weniger zutreffend, als mit Ausnahme der ältesten Kontrabaßinstrumente in welche in einem Schlangenkopf ausmünden, um dessen Hals das sog. S mehrfach gewunden ist, im allgemeinen die Ophikleide die Form der Baßhörner nachahmen. In der Anfangszeit bestand der Korpus noch aus Holz. Im allgemeinen steht die Baßophikleide in C, sie unterscheidet sich aber dadurch hauptsächlich von dem Serpent bzw. dem Baßhorn, daß beim allmählichen Öffnen der (neun bis elf) Klappen die jeweilig sich ergebende Natur-skala harmonische Töne zur Bildung deiner freilich nur annähernd reinen chromatischen Skala benutzt wurden. Die obersten Öffnungen können nicht wohl für die hohen Töne verwendet werden, da die Vibration der Luft-säule über die ziemlich großen, aber immerhin verhältnismäßig zu engen Löchern hinweg einen störenden Ein-fluß übt, weshalb dafür die Naturtöne der unteren Reihe in Anwendung kommen müssen; zwecks Oktavierung läßt man das oberste Klappenloch offen. Es wurden die Ophikleide (französisch auch serpents à clef genannt), wie gesagt, anfänglich in Holz, dann in Holz oder Metall, späterhin ausschließlich in Metall gebaut. Sie haben eine weitere Mensur als das Baßhorn und klingen auch voller und ausgiebiger. Ihre Entstehung ist nicht hinläng-lich aufgeklärt; sie wird zuweilen auf den oben genannten Alexandre Frichot und auf Jean Hilaire Asté (Halary) zurückgeführt. Bei anderen soll der eigentliche Ursprung in Hannover zu suchen und die Instrumente in Frank-reich erst nach dem Einzug der verbündeten Heere 1815 bekannt geworden sein, nach unverbürgten Nachrichten wäre die Erfindung einem gewissen Guivier (1806) zuzuschreiben. Frichot nannte sein Instrument, welches eigentlich nur ein verändertes Baßhorn darstellt, „Basse-trompette“ (Patent von 1810). Er hatte aber bereits 1800 den ersten Versuch mit einer Art Holzophikleide (mit sechs offenen und zwei geschlossenen Löchern gemacht; Pariser Sammlung Nr.1192. Den Pariser Instrumentenmacher Halary betrat, so steht wenigstens fest, da er 1817, fast zur gleichen Zeit mit Labbaye, mit einer Verbesserung und Klappenvermehrung der tieferen Ophikleiden hervortrat. In dem Opernorchester erschien die Ophikleide zuerst gelegentlich der Aufführung der „Olympia“ von Spontini 1819. Die beste Lehrmethode war diejenige des Virtuosen Caussinius (1820), die auch heute noch benutzt wird, da sie die neueren Methoden von Clodomir und von Voba...(?) in manchen Punkten übertrifft. – Die Ophikleide wurde nun in mannigfachen Stimmungen gebaut; es gab Altos in F oder Es, Bässe in C und B und sogar monströse Kontrabässe in F und Es (eine Oktave tiefer als die Altos). Jul. Tollot´s unförmige Kontra-baßophikleide konnte natürlicherweise eine weitere Verbreitung nicht gewinne. Die Baßophikleide hat sich allein noch im Gebrauch erhalten, und auch dies kaum anderwärts als in den Musikkorps in Südamerika, na-mentlich in Brasilien. Diese beziehen ihren Bedarf fast ausschließlich aus Paris. Eine in genau berechneten akustischen Verhältnissen gebaute Baßophikleide (modèle perfectionné), wie sie u.a. von den Firmen Gautrot (Couesnon & Cie.), ...... und F. Sudre (Nachfolger der alten Firma Halary), angefertigt wird, bedarf einer Reihe von elf Klappenöffnungen, um allen Anforderungen (zwei Klappen speziell für das tiefe A und Gis) zu ent-sprechen, die man an die Leistungsfähigkeit des Instruments stellte. Übereinstimmend in der Bauart sind u.a. die Ophikleiden der Firma Ch.& J. Ullmann, Paris, vgl. Catalogue général, p. 174. Letztere Firma ist – beiläufig bemerkt – am 1.März 1911 an die „Compagnie Francaise des Disques et Machines Odéon et d´Instrument de Musique“ übergegangen. – In Deutschland werden meines Wissens Ophikleide in C und B mit neun bis elf Klappen nur noch in der Fabrik von C.W. Moritz in Berlin, dem Nachfolger des berühmten Erfinders der Baßtuba, für das überseeische Geschäft hergestellt.
Für Europa hatte auch die Ophikleide, die höchste Vervollkommnungsstufe des alten Serpents, ihre Rolle ausgespielt, als die folgenreiche Erfindung der Ventile eine völlige Umwälzung an dem akustischen Bau der Kesselmundstückinstrumente herbeiführte. ein vollwichtiger Ersatz ist die Erfindung eines neuen, in seiner Art vollkommenen Baßinstruments, der Baßtuba in F, von welcher Wieprecht in Kalkbrenners „Lebensbeschrei-bung“ S. 91 bemerkt: „In Gemeinschaft mit dem Hofinstrumentenmacher Herrn Moritz (J.G. Moritz) erfand ich 1835 die Baßtuba, an welcher nur die harmonische Berechnung der verschiedenen Verlängerungen der Ventil-bogen und hauptsächlich das Schallstücksystem und die Konstruktion des Instruments überhaupt, nicht aber die von mir verbesserte Stecherbüchsenventile als Erfindung patentiert wurden. Die Tuba existiert jetzt mit drei bis sechs Ventilen.“ – Der historischen Vollständigkeit zuliebe sei zum Schluß noch erwähnt, daß der durch seine vielseitige schöpferische Tätigkeit bekannte V.F.Cerveny in Königsgrätz gegen 1840 auch einen eigentümlichen Typus erfand, welchem er den Namen „Serpentbombardon“ (in F) gab. Dieses ophikleidenartige Instrument konnte natürlich nicht durchdringen und ist jetzt längst der Vergessenheit anheimgefallen.
aus der „Zeitschrift für den Instrumentenbau“